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Podcast Interview: Othmar Karas - Netzwerken & Lobbying in der Politik

NETZWERKEN & LOBBYING in der Politik: Einblicke von Othmar Karas

Othmar Karas, Erster Vizepräsident des Europaparlaments a.D., spricht über politische Netzwerk-Kommunikation und warum Netzwerken für Politiker eine essenzielle Fähigkeit ist – von Vertrauen über Transparenz bis hin zur Kunst des Brückenbauens.

In dieser Episode tauchen wir tief in die Welt des politischen Netzwerkens ein. Othmar Karas teilt seine Erfahrungen aus über 30 Jahren in der Politik – von seinem Einstieg als jüngster Abgeordneter im österreichischen Parlament bis zu seiner Rolle im Europaparlament. Wir erfahren, warum Ehrlichkeit und Integrität im Netzwerken essentiell sind und wie er als Brückenbauer zwischen unterschiedlichen politischen Lagern agiert. Zudem gibt Karas Einblicke in den Unterschied zwischen Netzwerken und Lobbying sowie praktische Tipps, wie wir unser eigenes Netzwerk mit Authentizität und Vertrauen aufbauen können.

Die Podcastfolge zum Nachlesen.

Das Interview wurde im Juni 2024 aufgezeichnet.
Foto: Jakob Glaser

Geschrieben von Catharina Rieder

Kategorie:

„Netzwerken bedeutet nicht, Visitenkarten zu sammeln, sondern echte Verbindungen aufzubauen. Vertrauen und Glaubwürdigkeit entstehen durch ehrliches Interesse und beständige Integrität.“

Mein heutiger Gast ist einer der dienstältesten Politiker Österreichs und war seit 1999 eine zentrale Figur im Europaparlament. Othmar Karas hat sich einen Namen gemacht als Brückenbauer und Verfechter eines gemeinsamen Europas. Im Podcast gibt er uns einen exklusiven Einblick in seine Netzwerkarbeit auf politischer Ebene.

 In dieser Episode erfahrt ihr:

  • Was Netzwerken auf höchster politischer Ebene bedeutet
  • Wie man Vertrauen trotz Interessenskonflikten bewahrt
  • Was der Unterschied zwischen Netzwerken und Lobbying ist
  • Welche Lehren aus politischen Skandalen gezogen werden können
  • Praktische Tipps, wie du ein nachhaltiges und vertrauensvolles Netzwerk aufbauen kannst

Netzwerken als Brückenbauer

Othmar Karas sieht Netzwerken und Brückenbauen als zwei sich ergänzende Fähigkeiten, die in seiner Arbeit im Europäischen Parlament unverzichtbar waren. Als Demokrat ist es für ihn essenziell, sich kontinuierlich mit verschiedenen Meinungen auseinanderzusetzen und gemeinsame Lösungen zu finden. Im Europäischen Parlament, wo Vertreter aus unterschiedlichen Nationen und politischen Parteien zusammenkommen, war diese Fähigkeit besonders gefragt. Netzwerken, so Karas, bedeutet hierbei, über parteipolitische und nationale Grenzen hinweg gemeinsam zu agieren.

„Wenn man im Europäischen Parlament etwas voranbringen will, muss man Brückenbauer und Netzwerker sein,“ erklärt Karas. Er betont, dass diese Fähigkeiten notwendig sind, um politische Entscheidungen zu treffen und Kompromisse zu finden. Der Aufbau von Beziehungen und die Zusammenarbeit über lange Zeiträume hinweg sind entscheidend für den Erfolg in der Politik.

Die Kunst des Netzwerkens: früher & heute

Auf die Frage, wie sich das Netzwerken im Laufe seiner Karriere entwickelt hat, hebt Karas drei zentrale Punkte hervor. Zunächst kritisiert er, dass das ehrliche Interesse am Gegenüber in der heutigen Zeit zunehmend schwindet. Er beobachtet eine verstärkte Tendenz zu Polarisierung und Schuldzuweisungen, was dem Aufbau langfristiger Beziehungen entgegenwirkt.

Ein zweiter Punkt ist die Unterscheidung zwischen Netzwerken, Lobbying und Intervenieren. Während Netzwerken oft auf gegenseitigem Verständnis und Austausch basiert, ist Lobbying zielgerichteter und verfolgt ein konkretes Anliegen. „Netzwerken kann auch ohne Anliegen geschehen,“ sagt Karas, „beim Lobbying ist man sehr konkret, aber das ist per se nichts Schlimmes.“ Er betont, dass das Anhören von Argumenten und das Abwägen von politischen Konsequenzen essenziell sind, die Entscheidung jedoch immer beim Politiker selbst liegen muss. Dies schützt die Unabhängigkeit und Integrität der politischen Arbeit.

Transparenz im Lobbying

Ein zentrales Thema im Gespräch ist die Transparenz im Lobbying. Karas erklärt, dass das Europäische Parlament mit einem Lobbyingregister sicherstellt, dass alle Interessenvertreter öffentlich bekannt sind. Dies sei wichtig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die politischen Entscheidungsprozesse zu stärken. „Lobbying braucht Transparenz,“ betont Karas. Netzwerken und Lobbying können Hand in Hand gehen, solange die ethischen Grenzen klar sind und der Politiker selbst seine Verantwortung wahrnimmt.

Netzwerken als langfristiger Prozess

Othmar Karas spricht im Interview auch über den Aufbau seines eigenen Netzwerks, das über Jahrzehnte gewachsen ist. Er betont, dass Netzwerken nicht über Nacht geschieht und mit vielen Begegnungen verbunden ist. „Über die Jahre hinweg, mit der Vielzahl an Menschen, die man trifft, entwickelt man automatisch Netzwerke,“ erklärt er. Doch was macht ein starkes Netzwerk aus? Laut Karas sind Charakter und Integrität entscheidende Elemente. Nur durch ernsthaftes Bemühen, Respekt und Aufrichtigkeit kann ein Netzwerk auch langfristig bestehen bleiben.

Gerade im politischen Umfeld ist es von enormer Bedeutung, dass man seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Menschen bewahrt. Für Karas spielen hier Ehrlichkeit und Handschlagqualität eine Schlüsselrolle. „Es geht nicht darum, immer einer Meinung zu sein, sondern darum, sich trotz unterschiedlicher Ansichten zu respektieren,“ so Karas. Dies sei die Grundlage für jedes starke Netzwerk, egal ob in der Politik oder im geschäftlichen Umfeld.

Vertrauen und Glaubwürdigkeit als Kern des Netzwerkens

Vertrauen ist das Fundament eines jeden erfolgreichen Netzwerks, und Karas erklärt, wie er selbst seine Glaubwürdigkeit auch in schwierigen Situationen bewahrt. „Glaubwürdigkeit entsteht durch Ehrlichkeit und Handschlagqualität,“ betont er. Es sei entscheidend, dass man offen und transparent kommuniziert, auch wenn man in einem Interessenskonflikt steht. Er hebt hervor, dass man durch Ehrlichkeit nicht immer Zustimmung erhalte, aber dafür Respekt.

Dieses Thema führt Karas weiter zu einer tiefgreifenden Frage: Wie kann man ethisch korrekt und verantwortungsbewusst Netzwerke aufbauen, besonders in politisch heiklen Situationen? Für ihn ist die Antwort klar: „Es geht nicht darum, Visitenkarten zu sammeln, sondern Verbindungen entstehen zu lassen.“ In seiner eigenen Arbeit lässt sich Karas von einem Zitat von Martin Luther King leiten, das für ihn ein moralischer Kompass ist: „Die Feigheit fragt, ist es sicher? Der Opportunismus fragt, ist es diplomatisch? Die Eitelkeit fragt, ist es populär? Doch das Gewissen fragt nur, ist es richtig?“ Dieses Zitat ist für den Spitzenpolitiker vielmehr eine ethische Grundhaltung als ein Leitfaden zum Netzwerken.

Lektionen aus politischen Skandalen

Karas räumt ein, dass es in seiner langen politischen Karriere auch Skandale gab, die wertvolle Lektionen für das Netzwerken und politische Verantwortung bieten. „Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Was ist die Ursache und die Konsequenz des Skandals?“ Für ihn sind politische Skandale nur dann bedeutsam, wenn es zu einem klaren Fehlverhalten kommt – wenn jemand Werte verletzt, seine politische Verantwortung missbraucht oder gegen geltende Gesetze verstößt. Er macht deutlich, dass politische Verantwortung über die bloße Einhaltung von Gesetzen hinausgeht. „Jeden Tag in den Spiegel schauen zu können und zu wissen, dass man das Richtige tut, ist das A und O,“ betont er.

Auch aus politischen Auseinandersetzungen oder Skandalen, die vielleicht politisch hochgespielt werden, könne man lernen, solange man seine moralische Integrität bewahrt. Für ihn ist es entscheidend, dass politische Verantwortung immer auch die Einhaltung von Transparenz und Glaubwürdigkeit bedeutet. Er betont, dass dies für Politiker genauso gilt wie für Unternehmer:innen und Netzwerker:innen.

Der persönliche Umgang mit Kontakten

In Anbetracht der vielen Menschen, die Karas im Laufe seiner Karriere getroffen hat, stellt sich die Frage, wie er all diese Verbindungen pflegt und sich an die einzelnen Personen erinnert. Karas gibt zu, dass dies nicht immer leicht ist. Ein guter Kalender und ein aufmerksames Notizbuch sind für ihn unverzichtbare Hilfsmittel, um den Überblick zu behalten. Doch er betont, dass ihm vor allem die Begegnungen in Erinnerung bleiben, die bei ihm „etwas gezündet haben“ – also Gespräche oder Erlebnisse, die eine persönliche oder berufliche Verbindung hervorgebracht haben. „Man erinnert sich am besten an Menschen, wenn ein Gespräch etwas in einem auslöst – eine Information, eine Übereinstimmung oder auch eine ehrlich gemeinte Kritik,“ sagt er.

Qualität statt Quantität: Was zählt beim Netzwerken wirklich?

Im weiteren Verlauf des Interviews geht Karas darauf ein, was für ihn die wahre Bedeutung von Netzwerken ausmacht. Er widerspricht der weitverbreiteten Ansicht, dass es beim Netzwerken hauptsächlich darum geht, möglichst viele Kontakte zu sammeln. Für ihn steht ganz klar die Qualität der Verbindungen im Vordergrund. „Es geht nicht um Quantität, sondern um die Qualität der Begegnung,“ betont er. Er legt den Fokus auf die Tiefe der Gespräche und die Bedeutung, die hinter einer Beziehung steht. Diese Ansicht teilt er sowohl im politischen Umfeld als auch im geschäftlichen Kontext.

Ein Blick in die Zukunft

Abschließend gibt der Langzeitpolitiker einen Ausblick auf seine weitere politische Arbeit. Er stellt klar, dass für ihn nicht die Jagd nach Positionen im Vordergrund steht, sondern das Engagement für die Menschen und ihre Anliegen. „Ich stelle meine Tätigkeit immer in den Dienst der Sache,“ sagt er. Er möchte sich auch in Zukunft den Herausforderungen stellen und weiterhin mit seinen Netzwerken an Lösungen arbeiten, die für Europa und seine Bürger langfristig von Bedeutung sind.

Für junge Unternehmer:innen und Netzwerker:innen hat Karas ebenfalls wertvolle Ratschläge: „Haben Sie ein klares Anliegen. Zeigen Sie ehrliches Interesse und seien Sie konkret. Es geht nicht darum, Visitenkarten zu sammeln, sondern Vertrauen und Verbindungen zu schaffen.“ Netzwerken sei ein strategischer Prozess, der nicht über Nacht funktioniert, sondern Zeit, Geduld und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit erfordert.

9 x Netzwerk-Neugierde

Catharina: Mit welchen drei Hashtags würdest du dich beschreiben?
Othmar Karas: #Europa, #Zukunft, #Verantwortung.

Catharina: Dein liebstes oder bestes Buch, gerne auch Business-Buch, das du gelesen hast?
Othmar Karas: Ich lese viele Bücher gleichzeitig, meist politische Biografien. Besonders erwähnenswert finde ich die Biografie von Churchill, geschrieben von Boris Johnson.

Catharina: Netzwerk-Herz oder Netzwerk-Schmerz?
Othmar Karas: Ich netzwerke nicht zum Netzwerken. Es entsteht.

Catharina: Bist du Team Online- oder Offline-Netzwerken?
Othmar Karas: Offline.

Catharina: Visitenkarte real oder digital?
Othmar Karas: Visitenkarte.

Catharina: Bei wie vielen Social Media Kanälen bis zu den derzeit angemeldet?
Othmar Karas: So ziemlich auf allen. Ich selbst nutze hauptsächlich X, Instagram und LinkedIn.

Catharina: Wie viele Follower hast du insgesamt über alle Kanäle?
Othmar Karas: Das weiß ich momentan nicht so genau. Aber darauf kommt es ja auch nicht an.

Catharina: Und welches ist dein liebstes Online Netzwerk?
Othmar Karas: X

Catharina: Last but not least: Gib uns bitte noch einen allerletzten, deinen allerbesten Top Netzwerk Tipp.
Othmar Karas: Zeigen Sie ehrliches Interesse. Es geht nicht darum, Visitenkarten zu sammeln, sondern Verbindungen und Vertrauen aufzubauen.